Bernard de Montfaucons (1655–1741) Supplément au livre de l'antiquité expliquée et représentée en figures aus dem Jahr 1724 bildet wie seine bekannte Buchreihe L'antiquité expliquée et représentée en figures (1719) eine große Anzahl an unterschiedlichen Antiken ab. Erneut finden sich auf den insgesamt ca. 425 Kupferstichtafeln der fünf Supplément-Bände ganz verschiedene Objektgattungen wieder: Neben prominenten Skulpturen wie der Laokoon-Gruppe werden Reliefs, Altäre, Architektur, Gemmen und Münzen dargestellt. Ganz nach seiner bereits in den vorangegangenen L'Antiquité-Büchern erprobten Vorgehensweise sortierte Montfaucon auch in den Supplément-Bänden seine Gegenstände thematisch nach antiken Gottheiten und mythologischen Figuren, nach Bräuchen und Begräbnisriten, nach Gegenständen des Alltags, militärischem Gerät und anderen zweckmäßigen Gegenständen. Dabei beschriftete er alle Einzelabbildungen mit der jeweiligen grafischen Vorlage oder einer Herkunftsangabe des gezeigten Objekts.
Insbesondere auf ein Vorlagenwerk wird in Montfaucons Supplément-Bänden des Öfteren verwiesen: Unter 151 aller in den Suppléments dargestellten Münzen finden sich die Angaben „Medaillon du Roi“, „Medaillons du Roy“ oder Varianten davon wieder (Abb. 1 und 2; ThesaurusID 1573885 und ThesaurusID 23924346). [1]
„Medaillons du Roi“ kann in diesem Fall synonym für Werk und Provenienz verstanden werden, denn Montfaucons Verweis bezieht sich auf ein unter Ludwig XIV. in Auftrag gegebenes Tafelwerk, das eine Auswahl griechischer und römischer Münzen aus der umfangreichen königlichen Sammlung wiedergibt. Da dem Werk kein Titelblatt, kein Vorwort oder eine nähere Beschreibung beigefügt und auch keine thematische Sortierung der Münzbilder erkennbar ist, wie sie beispielsweise Montfaucon in seinen Werken verfolgt, wird anhand der Kupferstichtafeln nicht ersichtlich, nach welchen Kriterien die Auswahl der Objekte für die Medaillons du Roi getroffen wurde. Diese den Medaillons du Roi eingeschriebene Unklarheit kündigt sich bereits in der Betitelung des Werkes an, denn einen einheitlichen Werktitel für die Publikation gibt es bis heute nicht. Neben dem zumeist gebräuchlichen Behelfstitel Medaillons du Roi und Montfaucons verschiedenen Zitierweisen lassen sich darüber hinaus Titel wie Medaillons antiques du Cabinet du Roy, Medaillons du Cabinet du Roi oder Suite des medaillons du cabinet du Roy ausmachen.
Ebenso unstet wie die Überlieferung des Werktitels, ist auch die Entstehungsgeschichte der Medaillons du Roi. Neben weiteren Bildbänden zu beispielsweise den königlichen Tapisserien (Tapisseries du Roy), der Skulpturensammlung (Statues du Roy, antiques et modernes) oder Vasen und Büsten (Termes, bustes, sphinx et vases du Roy) wurden die Medaillons du Roi ebenso Teil des großangelegten Publikationsprojektes Cabinet du Roi. [2] Eine exakte Datierung für die Medaillons du Roi liegt bislang nicht vor. Das Vorhaben des Münzbandes wurde von Jean-Baptiste Colbert (1619–1683), dem damaligen Finanzminister der französischen Krone unter Ludwig XIV., wohl 1667 konzipiert und in Angriff genommen. Konkrete Hinweise zur zeitlichen Entstehung der Medaillons du Roi bieten Zahlungsbelege aus dem Jahr 1672 an die französischen Kupferstecher Gilles Jodelet de La Boissière (aktiv zwischen 1660 und 1680) und Pierre Giffart (1643–1723). [3] Letzterer ist nur anhand der genannten Zahlungsbelege dem Werk zuzuordnen, die Signatur Boissères hingegen findet sich auf fünf Kupferstichtafeln wieder. [4] Die letzte nachvollziehbare Zahlung an die beiden Künstler erfolgte im Jahr 1679. Das Projekt der Medaillons du Roi selbst wurde mit dem Tod Colberts im Jahr 1683 vorerst eingestellt. [5]
Die endgültige Fassung des sogenannten Cabinet du Roi beinhaltete schließlich dreiundzwanzig Bände, die in ihrer Programmatik das Ziel verfolgten, die Regentschaft von Ludwig XIV. in all seinem Facettenreichtum darzulegen und zu glorifizieren sowie den König als großen Förderer der schönen Künste zu inszenieren. [6] Antiken Münzen wurde in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle zugeteilt. Unter Ludwig XIV. hatte das königliche Münzkabinett enorm an Zuwachs gewonnen, da der junge König von seinem verstorbenen Onkel Gaston d’Orleans (1608–1660) dessen umfangreiche Münzsammlung vererbt bekommen hatte – samt gesteigerter Faszination und Interesse für die antiken Stücke. [7] Hinzu kam, dass antike Münzen als Vorlage für ein weiteres Projekt Colberts dienten. Dieser hatte es sich gemeinsam mit der 1663 neu gegründeten Institution Petite Académie (auch Académie Royale des Inscriptions) zur Aufgabe gemacht, das Vermächtnis von Ludwig XIV. in Form von Medaillen zu verewigen und eine zugehörige Publikation herauszubringen. [8] Das münzähnliche Format der Bronze- oder Goldmedaille war dabei mit Bedacht gewählt: nicht nur besaßen antike Münzdarstellungen römischer Kaiser einen glorreichen Ruf, auch hatten die metallenen Stücke sich durch ihre Robustheit und Langlebigkeit als angemessenes Medium zur Verbreitung politischer Selbstdarstellung bewährt. Damit wohnte der Medaille ein vielversprechendes Potential inne, welches die Gelehrten um Ludwig XIV. gezielt für ihre Mission der Verbreitung der königlichen Gloire einsetzen wollten. [9] Nicht selten dienten dabei die antiken Münzoriginale als Inspirationsquelle für die neu entworfenen Medaillen über das Leben von Ludwig XIV. und dessen politische Errungenschaften. [10] Die Medaillons du Roi waren zwar weniger plakativ solch einer politischen Agenda unterworfen, doch gehörten sie ebenso eindeutig zum inszenatorischen Werkzeugkasten der französischen Krone dazu.
Heute lassen sich weltweit 25 Exemplare der Medaillons du Roi im Bestand von öffentlichen Bibliotheken ausmachen. [11] Von diesen Exemplaren gehen nicht nur die variierenden Titel aus, ebenso zeichnen sich die Bände durch eine den Umfang betreffende Varianz aus. Von den 25 Exemplaren beinhalten 23 Exemplare 41 Tafeln, eines enthält 36 Tafeln und eines lediglich 29 Tafeln. Der formale Aufbau der Tafeln selbst ist im allgemeinen gleichbleibend: Den Hintergrund der einzelnen Tafeln mit einem Plattenmaß von 50,5 x 35,5 cm bilden feine, sorgsam gezogene Horizontallinien, die in ihrem Gesamtbild eine fast schon stoffliche Wirkung erzielen. [12] Auf diesem Hintergrund werden die antiken Stücke aus dem Cabinet du Roi in einem Raster von vier mal vier Münzbildern mit aufwendiger Rahmung dargestellt (Abb. 3; ThesaurusID 1619858).
Der Bildrahmen trägt dabei meist die lateinischen Materialangabe „AE“ und ist mit einer heraldischen Lilie versehen, die auf die Zugehörigkeit der Münzen zur königlichen Sammlung verweist (Abb. 4; ThesaurusID 23957714). [13]
In der Regel zeigen zwei benachbarte Abbildungen Vorder- und Rückseite derselben Münze, die durch eine ‚Ligatur‘ als zusammengehörig gekennzeichnet werden. In diesen Normalfällen werden je Tafel also acht Münzen abgebildet (Abb. 3). Es gibt aber auch einzeln stehende Münzbilder – also Vorder- oder Rückseite allein. Außerdem lassen sich bei einzelnen, am rechten Rand der Tafel angeordneten Münzbildern Ligaturen über den Zeilenumbruch hinweg beobachten. Meist vereinzelt, teils aber auch mehrfach auf der Tafel verteilt, teils auch ganze Zeilen und in einem Fall sogar eine halbe Tafel betreffend, gibt es schließlich gänzlich leergebliebene Kartuschen (Abb. 5; ThesaurusID 1619889).
Allein diese formale Varianz zeigt einen gewissen Mangel an Systematik und Konsequenz innerhalb der Medaillons du Roi auf. Neben dieser, in ihren Grundzügen dennoch meist gleichbleibenden Gestaltung der Kupferstichtafeln finden sich weitere, nicht sofort merkliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Exemplaren der Medaillons du Roi. Eine der bedeutendsten Abweichungen ist die Art der Nummerierung. Einige der Medaillons du Roi-Ausgaben mit weniger als einundvierzig Tafeln, weisen eine Abbildungsnummerierung auf, die bei 1 beginnt und mit 299 endet. Ein vollständiges Exemplar dieser Form mit einem Umfang von 36 Tafeln befindet sich heute in der Huntington Library, San Marino, CA. [14] Innerhalb dieser Ausgabe ist bei Münzen, deren Vorder- und Rückseite gemeinsam dargestellt werden, die Abbildungsnummer in der ‚Ligatur‘ zwischen den beiden Ansichten platziert (Abb. 6; ThesaurusID 23956818). Bei Darstellungen von nur einer Münzansicht befindet sich die Abbildungsnummer oben mittig zwischen Münzbild und Rahmenkartusche (Abb. 7; ThesaurusID 23957251).
Im Unterschied dazu weisen die Ausgaben mit einundvierzig Blättern eine Tafelnummerierung von 1 bis 41 auf, welche sich – wegen der Kleinheit der Ziffern eher unauffällig – auf allen Tafeln im oberen, mittleren Bereich wiederfindet, während die Nummerierung der einzelnen Münzbilder entfernt wurde (Abb. 8 und 9; ThesaurusID 1619863 und ThesaurusID 23957960).
Auf einigen Tafeln sind allerdings noch Rückstände der ehemaligen Abbildungsnummerierung zu erkennen, was auf die Überarbeitung der verwendeten Kupferstichplatten hindeutet und eine chronologische Reihenfolge der Ausgaben festlegt und damit zwei verschiedene Zustände der Medaillons du Roi markiert (Abb. 10 und 11; ThesaurusID 23878835 und ThesaurusID 1619884). Die Version mit geringerem Umfang und mit der ursprünglichen Abbildungsnummerierung kann somit als der erste Zustand und die umfangreichere Ausgabe mit der später eingeführten Tafelnummerierung als zweiter Zustand verstanden werden. [15]
Abgesehen von der veränderten Nummerierung unterscheiden sich die beiden Zustände noch in einem weiteren, die einzelnen Münzabbildungen selbst betreffenden Aspekt, denn im zweiten Zustand lässt sich bei einer großen Zahl von diesen ebenso eine dezente Überarbeitung beobachten. Dabei wurden sowohl motivische Änderungen der Münzbilder als auch Korrekturen der Münzlegenden vorgenommen. Die Motivation hinter dieser Überarbeitung bleibt überraschenderweise zumeist unklar. Insbesondere die Veränderungen der Münzbilder sind mit Blick auf die Originalobjekte meist nicht nachzuvollziehen.
So präsentiert beispielsweise die Einzelabbildung einer griechischen Münzrückseite einen mit Preiskrone, Palmzweigen und zwei Geldbörsen gedeckten Preistisch, dessen Füße in der Form von Löwentatzen ausgearbeitet wurden. Im ersten Zustand der Medaillons du Roi wird die Szene frontal wiedergegeben, im zweiten Zustand wurden hingegen dem Tisch die beiden hinteren Tischbeine und eine Draufsicht auf die Tischplatte hinzugefügt, sodass das Arrangement nun axonometrisch dargestellt wird (Abb. 12 und 13; ThesaurusID 23878958 und ThesaurusID 1620284). Der Münztyp, auf welchen sich beide Darstellungen beziehen, gleicht in seiner Erscheinung eher der Variante des ersten Zustandes der Medaillons du Roi, da vom Preistisch auch hier nur zwei Tischbeine sichtbar sind (Abb. 14; ThesaurusID 1617622). [16] Somit scheint es sich bei der Überarbeitung nicht um eine nachvollziehbare, objektgerechte Korrektur gehandelt zu haben, da sich der nachbearbeitete Zustand vom Original entfernt.
Im Zusammenhang mit Montfaucons Supplément sind es diese Überarbeitungen der Abbildungen, die dabei helfen, den als Vorlage verwendeten Zustand der Medaillons du Roi zu identifizieren. Ein erster Hinweis ist in den Vorbereitungsmaterialien für die L'Antiquité-Bücher, den sogenannten Papiers de Montfaucon, gegeben. Hier wurde in einem der Alben (Paris, BnF, Ms. Latin 11913) zwischen zahlreichen Handzeichnungen ein Einzelblatt der Medaillons du Roi eingeklebt und handschriftlich mit der Bezeichnung „Medaillons du Roi“ versehen (Abb. 15). Anhand der vorhandenen Abbildungsnummern auf dieser Tafel ist zu erkennen, dass es sich um ein Blatt des ersten Zustandes handelt. Dieser Umstand belegt bereits, dass Montfaucon zumindest in diesem Fall Zugriff auf die heute deutlich rarere Version der Medaillons du Roi hatte.
Ein systematischer Vergleich zwischen den Supplément- und den Medaillons du Roi-Abbildungen lässt dann schließlich eindeutig auf die Verwandtschaft der Montfaucon-Abbildungen mit dem ersten Zustand schließen. So zeigt die Vorderseite einer weiteren griechischen Münze, die in den Medaillons du Roi dargestellt wird, den Kopf der Kore Soteira im Profil. In ihrem lockigem, zu einem Zopf hochgestecktem Haar trägt sie eine Getreideähre. Um den Hals hat sie ein Falten werfendes Tuch gelegt, aus welchem der Ansatz eines Halsbandes hervorblitzt. [17] Im ersten Zustand der Medaillons du Roi hat das Band eine gewellte Form, wohingegen im zweiten, überarbeiteten Zustand diese zu einer gezackten Form umgestaltet wurde (Abb. 16 und 17; ThesaurusID 23957152 und ThesaurusID 23957718).
Dazu trägt die Kore Soteira im zweiten Zustand – anders als im ersten – einen Ohrring. Auch die Legende am Münzrand wurde geändert: wo diese im ersten Zustand mit dem Wort „KORH“ beginnt, wurde im zweiten Zustand das „R“ zu einem „P“ korrigiert, sodass es nun richtig „KOPH“ heißt. Die Rückseite der Münze wurde ebenfalls kleineren Änderungen unterzogen: Das Kultbild der ephesischen Artemis am linken Münzrand trägt im ersten Zustand einen mit Blättern gefüllten Kalathos auf dem Kopf, der im zweiten Zustand zu einem architektonischem Gebilde umgeändert wurde.
Mit Blick auf Montfaucons Münzdarstellung zeigt sich eine eindeutige Übereinstimmung mit der Darstellung im ersten Zustand, denn auch bei Montfaucon findet sich das Frauenprofil mit gewelltem Halsband und ohne Ohrring wieder (Abb. 18; ThesaurusID 23923825). Auch die Rückseite gleicht in allen relevanten Punkten der Variante aus dem ersten Zustand der Medaillons du Roi. Allerdings ließ es sich der Gelehrte nicht nehmen, die falsche Schreibweise „KORH“ in der richtigen Form mit „P“ wiederzugeben. [18]
Die Abbildung einer weiteren griechischen Münzrückseite deckt Montfaucons Bezugnahme zum ersten Zustand der Medaillons du Roi noch offensichtlicher auf: Im Zentrum der Abbildung befindet sich die Frontalansicht eines octastylen Tempels, dessen Säulenkapitelle und -basen aufwendig ausgearbeitet wurden. Im Giebelfeld steht mittig eine Figur mit einer Lanze in der Linken und einem Altar zu ihrer Rechten. Um den Tempel herum ist die Legende ΚΟΙ-ΝΟΝ ΒΕΙΘΥΝΙΑϹ arrangiert. Unter Tempel und Legende ist ein Schiffsbug platziert (Abb. 19; ThesaurusID 1573817). Derselbe Aufbau findet sich auch in der Münzdarstellung im ersten Zustand der Medaillons du Roi wieder (Abb. 21; ThesaurusID 23960378). Anders jedoch im zweiten Zustand der Medaillons du Roi (Abb. 22; ThesaurusID 23960382): hier wurde der Schiffsbug entfernt und die Figur im Giebelfeld durch einen Blätterkranz ersetzt, wodurch sich die Darstellung eindeutig vom ersten Zustand und von Montfaucon absetzt – und darüber hinaus auch von dem eigentlichen Vorbild, der Rückseite einer Münze aus Bithynien (Abb. 20; ThesaurusID 1617603). [19]
Über die genauen Entstehungsumstände der beiden Medaillons du Roi-Zustände herrscht bislang noch wenig Klarheit. Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte kann zumindest herausgestellt werden, dass die Intention hinter der Erstellung beider Bildwerke keiner rein wissenschaftlichen, wahrheitssuchenden Natur war. Vielmehr ging es darum, die Kostbarkeit und Rarität der Stücke hervorzuheben und damit das Prestige der königlichen Sammlung sowie das Interesse daran zu stärken. Die Überarbeitung der Abbildungen verfälschte somit nicht die Aussage oder den Gedanken hinter der Publikation. Dennoch verwundert es, dass dieser besondere Aspekt der Publikationsgeschichte der Medaillons du Roi in der bislang noch recht schmalen Forschungsliteratur keine hervorgehobene Bedeutung findet. Bereits bei dem zeitgenössischen Numismatiker Lorenz Beger (1653–1705) zeichnete sich diese Schwerpunktverlagerung auf den zweiten Zustand ab. Innerhalb seiner Publikation Numismata Moduli Maximi vulgo Medaigloni ex Cimeliarchio Ludovici XIV. (Berlin 1704) kopierte dieser die einundvierzig Kupferstichtafeln des zweiten Zustands, wobei die neuen Kupferstiche weniger kunstvoll ausgeführt wurden als ihre Vorlage. [20]
Weshalb Bernard de Montfaucon gerade den ersten Zustand als Vorlagenwerk für sein Supplément au livre de l'antiquité expliquée et représentée en figures auswählte, lässt sich ebenso nicht endgültig klären. Mit Blick auf seine ab 1719 erlangte Position als Präsident der neu getauften Académie royale des Inscriptions et Médailles kann davon ausgegangen werden, dass er zumindest Zugang wenn nicht sogar einen guten Überblick über das königliche Cabinet du Roi und alle zugehörigen Publikationen hatte. [21] Ob Montfaucon sich dabei der Unterschiede zwischen den Medaillons du Roi-Ausgaben bewusst gewesen ist und sich im Zuge dessen gezielt für jenen Zustand entschieden hat, der die antiken Objekte genauer wiedergibt, sei dahingestellt. Eine weitere, weniger wohlwollende Annahme könnte sein, dass die Restbestände des ersten Zustands der Medaillons du Roi aufgrund des inzwischen vorliegenden zweiten Zustands als obsolet angesehen wurden und damit das Recyceln der veralteten Tafeln, wie Montfaucon es in Vorbereitung des Suppléments betrieb, eine natürliche, als folgerichtig empfundene Handlung war. Ob oder welche dieser Optionen der Wahrheit am nächsten kommen, bleibt ungewiss. Gewiss ist jedoch, dass die Medaillons du Roi reichlich Potential für weitere, spannende Auseinandersetzungen bieten. Allein der hohe Grad an künstlerischem Anspruch mit welchem die einzelnen Tafeln gestaltet wurden, sowie die sichtlich intentionale Zusammenstellung der dargestellten Objekte bieten Anlass diesem Bildband weitere Aufmerksamkeit zu schenken – dieser Beitrag hat dazu hoffentlich ein wenig Anregung geschaffen.
[1] Vgl. de Callataÿ, François: “Bernard de Montfaucon et les monnaies antiques”, in: L' antiquité expliquée et représentée en figures de Bernard de Montfaucon, Bordeaux 2021, Bd. 2, S. 441.
[2] Weitere Bände innerhalb der Cabinet du Roi-Reihe beinhalteten beispielsweise architektonische Ansichtskarten, oder verbildlichen die großen, von König Ludwig XIV. veranstalteten Feste.
[3] Vgl. Wellington, Robert: Antiquarianism and the Visual Histories of Louis XIV, Farnham/Burlington 2015, S. 103.
[4] Es handelt sich um die Tafeln 7, 9, 10, 12 und 15. Einmal signiert der Stecher mit “De la Boissiere”, einmal mit “De Laboisiere fecit” und dreimal mit “De la Boissiere fecit”.
[5] Vgl. Sarmant, Thierry: Les intendants et gardes du Cabinet des médailles des origines à 1753, Paris 2007, URL: comitehistoire.bnf.fr/intendants-gardes-cabinet-m%C3%A9dailles-origines-1753 (zuletzt besucht am 29.04.2025).
[6] Vgl. Wellington 2015, S. 83.
[7] Vgl. Wellington 2015, S. 80–81. Mit Aufnahme der Sammlung von Gaston d’Orleans umfasste das Münzkabinett zu Beginn der 1660er rund 7.000 Stücke und wuchs von da an stetig weiter. Zum Ende der Regierungszeit Ludwigs XIV. beinhaltete das königliche Münzkabinett an die 15.000 Exemplare. Vgl. Veillon, Marie: “La science des Médailles antiques sous le règne de Louis XIV.”, in: Revue numismatique, 6e série, Bd. 152, 1997, S. 364.
[8] Dieses Projekt lief unter dem Arbeitstitel Histoire métallique. Die zugehörige Publikation Médailles sur les principaux événements du règne de Louis le Grand erschien 1702.
[9] Vgl. Wellington 2015, S. 40–41.
[10] Ein großer Aufgabenschwerpunkt der Petite Académie lag beispielsweise in der Erschließung antiker Münzlegenden. Mit dem aus dieser Arbeit entstandenen Repertoire eines numismatischen Wortschatzes wurden gezielt die Legenden der Medaillons der Histoire métallique erstellt. Vgl. Wellington 2015, S. 58.
[11] An dieser Stelle sei die gründliche Recherchearbeit von Emily Grabo hervorgehoben, die alle Ausgaben ausfindig gemacht und ausgewertet hat. Neben den Bibliotheksbeständen sind zwei weitere Exemplare der Medaillons du Roi in den Verkaufskatalogen der Auktionshäuser Sotheby's und Kolbe & Fanning verzeichnet.
[12] Die Maße stammen von dem Auktionsexemplar des Auktionshauses Kolbe & Fanning, dessen sorgsam recherchierte Beschreibung wichtige Anregungen für die Erschließung lieferte: bid.numislit.com/lots/view/1-M8WPP/ (zuletzt besucht am 16.05.2025).
[13] Vgl. Wellington 2015, S. 85.
[14] Digitalisat: hdl.huntington.org/digital/collection/p15150coll3/id/14846 (zuletzt besucht am 04.05.2025). Hier sind jedoch sieben Tafeln (Taf. [3], [8], [11], [14], [18], [22] und [28]) enthalten, die Münzbilder ohne Nummerierung enthalten, d.h. die 299 nummerierten Münzbilder finden sich auf 29 Tafeln. Ein entsprechendes Exemplar dieses Umfangs befindet sich in der Biblioteca nazionale Braidense in Mailand.
[15] Neben den recht einheitlichen (Normal-) Ausgaben, die sich untereinander kaum in Aufbau und Umfang unterscheiden, gibt es auch hybride Formen der Medaillons du Roi. Ein solches Exemplar befindet sich in der Landesbibliothek Oldenburg. Digitalisat: digital.lb-oldenburg.de/ihd/content/titleinfo/1923747 (zuletzt besucht am 05.05.2025).
[16] Eine Münze des beschriebenen Typs cn type 8039 (https://www.corpus-nummorum.eu/types/8039) befindet sich in der Bibliothèque nationale de France, Inv.-Nr. IFN-8586548.
[17] Mit den oben beschriebenen Eigenschaften entspricht die Münze dem Typ RPC IV.2, 710 (temp.) (https://rpc.ashmus.ox.ac.uk/coins/4/710).
[18] Dieses Vorgehen ist kein Einzelfall: In seinen Publikationen korrigiert Montfaucon des Öfteren Inschriften und Legenden, was auf sein eigenes Selbstverständnis als Experte für das griechische Altertum verweist. Dieses erprobte er bereits in seiner 1708 erschienenen Publikation Palaeographia graeca. Einen weiteren Fall am Beispiel einer magischen Gemme analysiert Arpad M. Nagy in einem sich derzeit im Druck befindlichen Aufsatz.
[19] Die Münze ist nicht eindeutig identifiziert, doch weisen die bekannten Stücke des Typs RPC 1018 (z.B. https://rpc.ashmus.ox.ac.uk/coins/3/1018; zuletzt besucht am 26.05.2025) allesamt dieselben Attribute auf der Rückseite auf. Nicht bei Montfaucon dargestellt wird die Vorderseite der besagten Münze. Diese zeigt allerdings ebenso eindrücklich die Unterschiede zwischen dem ersten und zweiten Zustand auf: Hadrian trägt im zweiten Zustand einen Lorbeerkranz, der im ersten Zustand noch nicht vorhanden ist.
[20] Ein digitalisiertes Exemplar befindet sich im Online-Angebot der Bayerischen Staatsbibliothek; Digitalisat: mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10633933 (zuletzt besucht am 05.05.2025).
[21] 1714 wurde die zuvor unter Colbert vorangebrachte Petite Académie in Académie des Inscriptions et Belles Lettres umbenannt.