Modul 1 - Ägypten

Auf der Suche nach den Ursprüngen

[Aktueller Stand der Bearbeitung]

Modul 1 richtet den Blick zunächst nach Ägypten, das in vielen frühneuzeitlichen Argumentationszusammenhängen als ein entscheidender ‚Ursprung‘ bzw. Vermittler der prisca sapientia in Bildform verstanden wurde. Hier steht die Genese der mit ägyptischen Monumenten befassten Schriften Athanasius Kirchers sowie Filippo Buonannis Katalog von Kirchers eigenem „Museum“ im Fokus, der zu Montfaucons wichtigsten Quellen zählt. Dabei konnte gerade am Beispiel des Reisenden Pietro della Valle erneut gezeigt und bestätigt werden (Burioni 2017), welchen Gewinn aus einer präzisen Rekonstruktion der Herkunftswege der Objekte, des Bildmaterials und der personalen Netzwerke für die Kenntnisse im Rom des 17. Jahrhundert über Ägypten zu ziehen ist und wie viel ungesichtetes Material allein das Archiv des Vatikans bietet.
Das Auftaktmodul widmet sich daher einer komparativen Betrachtung der in ausgewählten zeichnerischen und druckgrafischen Konvoluten vorkommenden ägyptischen bzw. ägyptisierenden Antiken.

Dokumentiert werden unter anderem ihre Rezeptionsgeschichte sowie die Abhängigkeitsverhältnisse der Reproduktionen untereinander bzw. die sich daraus ergebenden ‚neuen Bilder‘. In der Frühen Neuzeit war die Faszination für das antike Nilland und seine teilweise geheimnisvolle Welt sehr groß. Intellektuelle, Antiquare, Altertumswissenschaftler, Sammler und Künstler setzten sich zunehmend mit den vermeintlich ägyptischen Erscheinungsformen auseinander. Ihre Kenntnis basierte allerdings weitgehend auf einer griechisch-römischen Tradierung, nachdem seit dem Hellenismus kultische Bräuche (vor allem Isis- und Serapis-Heiligtümer), bildliche Traditionen sowie die materielle Kultur assimiliert, interpretiert und adaptiert worden waren.
Ab dem 17. Jahrhundert – und noch vor den großen ausschlaggebenden Ägyptenexpeditionen des 19. Jahrhunderts zur Erkundung Ägyptens – entstanden zahlreiche bebilderte Publikationen. Sie veranschaulichen die Wahrnehmung dieser antiken Kultur, die mutmaßliche (Be)deutung und Funktion vieler Objekte, die Erschließung ihrer Ikonographie sowie die Entschlüsselung der Hieroglyphen. Ausgehend von den Bildern ergaben sich taxonomische Kriterien zur Systematisierung des gesammelten Wissens.
Abgeleitet wurde es einerseits von 'seriell' hergestellten Objekten – vor allem Grabbeigaben wie Djar-Pfeilern, Skarabäen, Amuletten und Shabti-Figuren, Kameen und Kanopen – und andererseits aus Einzelstücken bzw. größeren Plastiken – wie zum Beispiel der Mensa Isiaca, dem Florentiner „Opferbringer“ aus der Sammlung Leonardo Agostinis, aber auch von Sphingen, Pavianfiguren, Reliefszenen, Tripoden, Obelisken usw.

Die Objekte stammten aus Ausgrabungskampagnen (wie zum Beispiel aus dem Iseum Campense in Rom oder der Hadriansvilla in Tivoli), befanden sich in Privatsammlungen (Barberini, Fabretti, Bellori, Strozzi etc.) bzw. gehörten mittlerweile, wie die Obelisken, zum römischen Stadtbild. Auskunft darüber geben teilweise die unterschiedlich umfangreichen Begleittexte oder gelegentlich die Bildunterschriften.
Ein wichtiges Ziel des Vorhabens ist es, das konkrete Monument bzw. die Objektgruppe(n), von denen die grafischen Darstellungen ihren Ausgang nahmen, in ihren damaligen Kontexten und an ihren heutigen Aufbewahrungsorten ausfindig zu machen, bzw. festzustellen, inwieweit im untersuchten Zeitraum jüngere Abbildungen bzw. Reproduktionen nur auf frühere Zeichnungen oder Veröffentlichungen zurückgriffen, und eben nicht auf der eigenen unmittelbaren Anschauung des antiken Artefakts beruhten.
Daraus lassen sich Entwicklungen und Transformationsprozesse ableiten, die nicht zuletzt auch durch den unterschiedlichen Umfang der Veröffentlichungen sichtbar werden. Die Referenzierbarkeit bestimmter Werke erlaubt darüber hinaus gleichwohl auch eine Einsicht in die persönlichen und publizistischen Netzwerke der frühneuzeitlichen europäischen Gelehrtenrepublik, im Umgang mit den damaligen bekannten privaten Sammlungen und den dort aufbewahrten Stücken.


Behandelte Werke (Auswahl)

Lorenzo Pignoria, Characteres Aegyptii, hoc est Sacrorum, quibus Aegyptii utuntur, simulachrorum accurata delineatio et explicatio, Frankfurt a.M. 1608

Cabinet de Peiresc, Bibliothèque nationale de France, département Estampes et photographie, RESERVE AA-53-FOL, um 1620

Cabinet de Peiresc, Bibliothèque nationale de France, département Estampes et photographie, RESERVE AA-54-FOL, um 1620

♦ Giovanni Battista Casali, De profanis et sacris veteribus ritibus opus tripartitum, Frankfurt a.M./Hannover 1681

Athanasius Kircher, Obeliscus Pamphilius, Rom 1650

Athanasius Kircher, Oedipus aegyptiacus, 3 Bde., Rom 1652–1654

Athanasius Kircher, Obelisci aegyptiaci interpretatio, Rom 1666

Filippo Buonanni, Musaeum Kircherianum sive Musaeum a P. Athanasio Kirchero in Collegio Romano Societatis Jesu iam pridem incoeptum…, Rom 1709

Dissegni di cinque statue egizzie donate al Campidoglio della Santita di N. S. Papa Clemente XI [...] delineate [...] da Francesco Moratti, Bibliothèque nationale de France, département Estampes et photographie, RESERVE PET FOL-FB-19, 1714-1715

♦ Bernard de Montfaucon, L'antiquité expliquée et representée en figures, 1. Aufl., Paris 1719, Supplement, Paris 1724
   Bd. 2,1 ; Bd. 2,2 ; Supplement-Bd. 2